Siegen: Warum ruft die Beratungsstelle für Mädchen in Not nach Hilfe?
Seit 2020, dem Jahr, als die Coronapandemie ausbrach, landen immer mehr Hilferufe von Mädchen, jungen Frauen und immer wieder auch mal Jungen beim Kreuztaler Beratungsteam. Sie haben sexualisierte Gewalt erlebt. Schnelle Hilfe tut dann Not. Und genau hier liegt das Problem.
Kreuztal. „Wir sind dringend auf finanzielle Unterstützung angewiesen!“ Ein Brief mit diesem Notruf macht derzeit die Runde. Absender: die Mitarbeiterinnen der Beratungsstelle „Für Mädchen in Not“ mit Sitz in Kreuztal. Seit rund 34 Jahren schon finden hier Mädchen, junge Frauen und vereinzelt auch Jungen, die sexualisierte Gewalt erlebt haben oder noch immer erleben, einen rettenden Hafen. Das Ziel: „Wir begleiten sie bei der Bewältigung schwieriger Lebenssituationen und Erfahrungen“, schreiben die Sozialarbeiterinnen Melissa Thor und Marah Fuhrmann im Namen des Teams.
Indes: „Die vom Kreis Siegen-Wittgenstein bereitgestellten Mittel und die Zuschüsse der Stadt Siegen reichen nicht zur Deckung der Personal- und Sachkosten aus.“ Schon seit 2020 landen immer mehr Beratungsanfragen im Domizil an der Moltkestraße. „Aufgrund der zumeist schwerwiegenden Beratungsanlässe ist es für unsere Klientinnen besonders wichtig, schnell Hilfe und Unterstützung zu bekommen.“ Aufgrund der steigenden Fallzahlen sei eine „zeitnahe Terminvergabe derzeit kaum möglich“.
Hier kann man helfen
Das Spendenkonto der Beratungsstelle Für Mädchen in Not lautet: Sparkasse Siegen, IBAN: DE29 4605 0001 0010 0082 33, BIC: WELADED1SIE. Verwendungszweck: „Stellenaufstockung“. Trägerin der Beratungsstelle ist der Verein für für soziale Arbeit und Kultur Südwestfalen (Vaks). Kontakt: https://maedchen-in-not.de.
Die Abstände zwischen den Beratungsstunden würden zunehmend länger, da besonders der hochfrequentierte Nachmittag kaum noch Kapazität bereithalte. Das Team arbeitet auch vorbeugend. Das reicht von Präventionsangeboten, wie der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen sowie der Schulung von Fachkräften, bis hin zur Öffentlichkeitsarbeit. Auch hier seien die Kapazitäten erschöpft: Viele Schulen und Kindergärten müssten vertröstet werden.
Fazit: „Die Beratungs- und Präventionsanfragen können von zwei Vollzeitstellen nicht mehr gänzlich bedient werden. Daher haben wir seit März 2023 Unterstützung von Sozialarbeiterin Marah Fuhrmann mit einer halben Stelle. Dennoch sind wir an der Grenze unserer Aufnahmekapazität“, so Melissa Thor. Eine Aufstockung wäre wichtig, um dem Bedarf dauerhaft gerecht zu werden. „Die steigende Nachfrage zeigt deutlich, wie hoch der Hilfebedarf von sexualisierter Gewalt Betroffener auch in Siegen-Wittgenstein ist. Wir können den Anfragen nur gerecht werden, wenn die Finanzierung der dritten Stelle langfristig gesichert ist“, wird sie deutlich. Aus eigenen Mitteln sei es nicht möglich, die Stelle von Fuhrmann zu halten.
Wie viele Hilfesuchende werden derzeit beraten?
Bis 2020 wurden jährlich rund 100 Fälle bearbeitet. „2023 wandten sich dann erstmals 141 Personen an uns. Die Kapazitäten in Bezug auf die Beratungsarbeit der drei Mitarbeiterinnen ist seit einiger Zeit fast vollständig ausgeschöpft“, sagt Thor im Namen des Teams, zu dem auch „Feel-good-Managerin“ Amy zählt: eine Labrador-Dame.
Bis vor zwei Jahren war es den Sozialarbeiterinnen in der Regel in dringenden Fällen möglich, noch am selben oder am Folgetag einen ersten Termin zu vergeben. Auch konnten Ratsuchende mit einem hohen Beratungsbedarf anfangs mindestens ein bis zwei Termine in der Woche erhalten. Das sei nun oft nur noch möglich, wenn andere Termine verschoben würden. Erstberatungen werden nach Möglichkeit weiterhin in derselben oder der darauffolgenden Woche angeboten. Das Vereinbaren regelmäßiger Folgetermine stelle derzeit die größte Herausforderung dar. „Uns ist es enorm wichtig, besonders gewaltbetroffenen Mädchen und jungen Frauen zeitnah ein Beratungsangebot machen zu können, damit die zumeist traumatischen Erlebnisse bestmöglich aufgefangen werden können“, betont Sozialarbeiterin Katharina Heinrich. Wartelisten oder gar Absagen werde den Bedürfnissen der Zielgruppe nicht gerecht. Denn, so fügt Marah Fuhrmann hinzu: „Es ist wichtig, betroffenen Mädchen und jungen Frauen einen sicheren Ort zu bieten, an dem sie sich gesehen und gehört fühlen. Sie sollen sich bei uns wohl und akzeptiert fühlen und keine Angst davor haben müssen, abgewiesen zu werden.“
Raumnot ein weiteres Problem
Das Team weist auf eine weitere Sorge hin: „Es fehlt ein drittes Beratungszimmer.“ Das sei im derzeitigen Domizil aber nicht zu realisieren. Und so muss improvisiert werden. „Wir werden vorerst das pädagogische Spielzimmer zusätzlich auch als Beratungszimmer nutzen.“ Freuen sich Team und Träger über das Angebot einer größeren Immobilie? „Die Option, die Räumlichkeit zu wechseln oder weitere Räume anzumieten kommt für uns erst dann in Frage, wenn die Finanzierung der dritten Stelle langfristig gesichert ist.“
„Uns ist es enorm wichtig, besonders gewaltbetroffenen Mädchen und jungen Frauen zeitnah ein Beratungsangebot machen zu können, damit die zumeist traumatischen Erlebnisse bestmöglich aufgefangen werden können.“ – Katharina Heinrich, Sozialarbeiterin
Wichtig sei eine gute Verkehrsanbindung. Die Betroffenen kommen aus dem gesamten Kreisgebiet nach Kreuztal. Daher müsse die Beratungsstelle möglichst zentral, aber in ruhiger Lage liegen. Und: Sie sollte möglichst anonym betreten werden können. Gerade für Opfer sexualisierter Gewalt, deren Familien nicht wissen dürfen, dass sie Beratung in Anspruch nehmen, sei ein sicherer bzw. nicht einsehbarer Zugang von besonderer Bedeutung.
Siegener Zeitung: https://www.siegener-zeitung.de/lokales/siegerland/siegen-warum-ruft-die-beratungsstelle-fuer-maedchen-in-not-nach-hilfe-63SOGYYJORF5XBUPPVGJIZMMIU.html (Anja Bieler-Barth)